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Mathematik des Einflusses: Warum leiten Russen keine internationalen Unternehmen


Moskau / Wix

Russland ist das größte Land auf Erden, es liegt sowohl in Europa als auch in Asien. Die Fläche des Landes beträgt 1/7 des Planeten. Dabei ist der Einfluss Russlands in der Weltwirtschaft sehr begrenzt, sein Beitrag in das globale BIP ist nicht höher als 4%. Und dies trotz der weltgrößten Gasvorräte, des zweitgrößten Ölförderungsvolumens, der Kern- und Weltalltechnologien, des bedeutenden Getreide- und Waffenexports.

Doch ich möchte auf eine andere Herausforderunng eingehen, vor der die Russen stehen – den äußerst niedrigen Prozentsatz an Personen russischer Abstammung unter den Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern größter internationaler Unternehmen des S&P500.

Die Zahl derer in den Führungen dieser Unternehmen, die auch nur irgendetwas mit Russland zu tun haben, ist nicht nur gering – sie ist verschwindend gering. Das russische Büro Spencer Stuart führte kürzlich eine Untersuchung der Präsenz der „Russen“ in den ersten 200, also den größten Unternehmen des S&P500. Schritt für Schritt analysierten wir ca. 4.000 Biografien der Top-Manager und Vorstandsmitglieder auf Anzeichen noch so entfernter Beziehung zu Russland: russische Wurzeln, Sprachkenntnisse, Ausbildung oder Berufstätigkeit.

Die Ergebnisse waren sehr bezeichnend: ausländische Top-Manager, die in unsere Auswahl fielen, hatten bestimmte Verbindungen mit Russland. 32,4% waren oder sind verantwortlich für die Geschäfte ihrer Firmen in Russland und Osteuropa. 23% von ihnen waren oder sind in der Vorständen großer russischer Unternehmen tätig. Ungefähr genauso viele sprechen russisch odet versuchten, es zu lernen. 13,5% kooperierten mit Russland in politischer Richtung (z.B. arbeiteten in russisch-amerikanischen Vereinigungen wie der Amerikanisch-Russiche Businessrat).

Leider stellten sich nur drei der Top-Manager der 200 führenden Unternehmen der Welt als von in irgendeiner Form russischer Abstammung heraus:

Nik Schreiber – Vorstandsmitglied Campbell Soup Company und ehemaliger CEO Tetra Pack.

Alex Belogolovsky – Corporate Vice President und General Manager von Common Systems Software bei Applied Materials, Inc., wo er für die Entwicklung von Systemsoftware für Halbleitungsfertigungssysteme verantwortlich ist.

Sergey Brin – Google-Gründer, Sohn der Mathematikerfamilie Brin, die 1979 in die USA einwanderte. Damals war Sergey aber erst 5 Jahre alt.

Drei in 200 Unternehmen – das ist eine noch ernüchterndere Zahl als die 4% des Global BIP. Umso bedauerlicher, wenn man bedenkt, dass viele der hochbezahlten Mitarbeiter der internationalen Unternehmen russischstämmig sind, besonders im hochtechnologischen Wirtschaftssektor. Aber es gibt sie nicht in den Führungspositionen dieser Unternehmen.

Warum bildet Russland kluge und talentierte Profis aus, die sich bis zu den Schlüsselpositionen in den führenden Wirtschaftszweigen hocharbeiten, aber es nicht schaffen, Plätze in den Führungsgremien großer Unternehmen zu besetzen? Für eine erfolgreiche internationale Karriere bekommt eine russische Führungskraft ausgezeichnetes Fachwissen. Durch selbstlosen Arbeitseinsatz kommt sie an die notwendige Kombination aus Erfahrung und Routiniertheit, die man kurz hard skills nennt. Doch seine soft skills (Übung in Kommunikation und Verhandlungsführung; Fähigkeit, fremde Standpunkte zu verstehen und anzunehmen, Kompromisslösungen zu finden, sowie Vermögen, andere zu überzeugen, zu motivieren, zu führen) bleiben auf dem Basisniveau. Große Gesellschaften und Konzerne setzen auf die Liste der Anforderungen zusätzlich Geübtheit in interkultureller Kommunikation und im Aufbau von Beziehungen im internationalen Milieu.

Während die hard skills im Bildungsprozess erworben werden, da, wo wir über ein funktionierendes Bildungssystem von hoher Qualität verfügen, steht die Sache mit den soft skills wesentlich komplizierter. Hier ist die persönliche Erfahrung wichtiger als die formale Bildung. Offenheit der heutigen Generation ist zweifellos ein großer Fortschritt gegenüber der Elterngeneration. Fremdsprachenkenntnisse und Reiselust erleichtern deutlich die Erkundung von Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten im Ausland und lassen viele der erstmöglichen Hindernisse gar nicht erst entstehen. Doch im nächsten Zug verlieren unsere Landsleute den Konkurrenzkampf aus Mangel an Verständnis oder falscher Auffassung fremder Kulturen, wovon das Vermögen abhängt, effektive Arbeits- und Geschäftskommunikation mit ausländischen Kollegen aufrechtzuerhalten. Das heißt, für sie sind solche skills wie Überzeugungswege, Art und Weise der Einflussnahme oder die Fähigkeit, „unseren Code“ in die internationale Organisationskultur einzubauen genau das, was für jeden Top-Manager überlebenswichtig ist, – zuerst verstehen, dann verstanden werden – immer noch nicht zugänglich.

Das Unvermögen (im buchstäblichen Sinne), sich mit Kollegen und Untergebenen in einer für alle verständlichen Begriffssprache zu verständigen, schränkt die Möglichkeiten der Russen auf der Karriereleiter drastisch ein. Es entsteht eine Situation, in welcher der Faktor kultureller Integration in das Milieu zum entscheidenden Aufstiegsparameter wird.

Eine ambitionierte professionelle Karriere ist heute unmöglich ohne Wegweiser und sorgfältige Planung

Vor allem ist ein klares Bewusstsein des Ziels oder wenigstens der Richtung, in der man sich zu bewegen hat, unabdingbar.

Der Zeitpunkt spielt die Schlüsselrolle. Wenn Sie über 50 sind, ist die Selbstsuche und das Experimentieren äußerst schwierig. Sind Sie jung, hilft Ihnen eine Tätigkeit in einigen Branchen, die Zugang zu den internationalen Märkten haben, oder noch besser – in einem bekannten internationalen Unternehmen. Äußerst wichtig ist es, sich von erfolgreichen Karrierebeispielen inspirieren zu lassen. Man muss sich fragen: „Was muss ich tun, um diesen Erfolg zu wiederholen?“

Also, Sie werden nichts erreichen ohne Bewusstsein dafür, wohin Sie gehen, was Sie anstreben und ohne Fertigkeiten, die für die kulturelle Integration notwendig sind. Es ist aber nur eine notwendige, doch nicht ausreichende Bedingung. Für eine erfolgreiche globale Karriere brauchen Sie noch drei weitere Dinge.

  1. Expertise. Sie müssen zu einem Experten werden auf einem Gebiet, das Sie für Ihre Tätigkeit gewählt haben, und ... der Beste darin sein. Das können Finanzen, Marketing, HR oder digitale Transformation des Unternehmens sein. Sie können über tiefe Kenntnisse eines Spezialgebiets verfügen oder zu einem Experten einer nichtkommerziellen Organisation werden.

  2. Kontaktnetzwerke. Gleichzeitig müssen Sie Ihr eigenes Netzwerk aus professionellen Kontakten aufbauen, stabile Beziehungen mit den Schlüsselfiguren der Branche pflegen – Sponsoren, Mentoren, Geschäftsleitungen, Kollegen auf Ebenen, die mit Ihrer vergleichbar sind, Partnern, Lieferanten, Auftragnehmern, wichtigsten Kunden. Je besser Ihr Verhältnis zu ihnen ist, desto höher sind die Chancen, irgendwann ein interessantes Angebot zu bekommen oder früher als die anderen von etwas sehr Wichtigem zu erfahren.

  3. Positionierung. Wenn Ihr Name bei Menschen Assoziationen mit Ihrem Fachgebiet hervorruft, wenn sogar diejenigen, die Sie persönlich nicht kennen, von Ihnen und von Ihrer Tätigkeit gehört haben, dann werden Sie sicher bevorzugt, wenn ein internationales Unternehmen einen konkreten Experten braucht.

Einfluss geht immer von konkreten Personen aus. Management-Expats in den Führungen internationaler Firmen arbeiten so oder so für die Festigung von Positionen ihrer Länder, selbst wenn es nur aufgrund der Tatsache geschieht, dass sie ihre Erfahrung, ihr Wissen und ihre Verbindungen nutzen. Da ihre Sozialisierung in ihrem Heimatland verlief, wundert es nicht, dass sie aus genau diesen Ländern talentierte Fachkräfte und Geschäftspartner gewinnen, Entscheidungen über Standorte beeinflussen, an denen neue Produktions- oder Forschungszentren entstehen. Und was besonders wichtig ist: Sie dienen als Beispiel für ihre Landsleute, als Nachahmungsmodell für Ambitionen anderer, die zunächst von einer internationalen Tätigkeit nur träumen.

Selbstverständlich erwartet unsere Manager ein hohes Konkurrenzniveau auf den Arbeitsmärkten in Ländern mit angelsächsischer Geschäftskultur. Aber es gibt auch Länder mit einer weniger hohen Eingangsschwelle für ausländische Manager, z.B. die VAE, Singapur, die Niederlande oder Hongkong. Dort arbeiten auch viele Menschen mit ganz unterschiedlichem Background, und ein Neuling wird es einfacher haben, sich zu integrieren und eine gemeinsame Kommunikation aufzubauen.

Für eine stabile wirtschaftliche Entwicklung wird uns die heimatliche Geschäftspraxis und das Heranziehen einer eigenen Manager-Generation nicht mehr ausreichen. Diejenigen, für die es wichtig ist, dass unser Land ein größeres Gewicht in der Weltwirtschaft bekommt und über die berühmt-berüchtigten 4% hinauswächst, müssen versuchen alles dafür zu tun, das zunächst die Zahl unserer kulturverwandten Führungspersonen in den größten, global agierenden Firmen, die den Entwicklungskurs der Weltwirtschaft mitbestimmen, wächst.

„Unsere“ Leute in den großen Unternehmen könnten also auch auf indirekten Wegen in ihrer Heimat mehr Möglichkeiten, mehr Arbeitsplätze und mehr neue Produkte schaffen und vielleicht auch unsere gemeinsame Denkweise verändern. All das bewirkt meiner Meinung nach mehr, als Realisierung aller möglichen noch so lautstarker Initiativen zur Importsubstitution.

Im Sport gewinnt immer derjenige, der es einmal gewagt hat, davon zu träumen. Das gleiche Prinzip gilt für das Business: Wenn Sie sich zum Ziel setzen, in die Geschäftsführung und in den Vorstand eines globalen Unternehmens zu kommen, werden Ihre Chancen sicher wachsen. Und je mehr ambitionierte Menschen es gibt, desto mehr Chancen hat unser Land, einen angemessenen Platz in der Weltwirtschaft einzunehmen. Klingt kompliziert? Ein Tausend-Meilen-Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Das Komplizierteste ist, bewusst einen Standpunkt für diesen Schritt zu finden.

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